30.September 2013:
Dichters Nachtspaziergang
Mir jedenfalls geht es so, dass manchmal Gedichte im Kopf hängenbleiben, manchmal auch nur eine Strophe oder wenige Zeilen. Irgendwann, vielleicht erst nach Tagen, bemerke ich es, ich wundere mich, ein Gedicht taucht immer wieder auf, unangemeldet, es schiebt sich zwischen meine Alltagsgedanken – das sind dann die ganz wenigen guten Gedichte, die für mich guten, ist ja alles Geschmackssache.
Und wenn mir gleich mehrere Gedichte eines Autors im Kopf herumschwirren, dann schaue ich mich nach dem Autor um, im Internet, ich versuche, ein Buch von ihm zu finden, noch mehr Texte oder ein Echo. Bei Paul Laub gibt es kein Internet-Echo, auch kein Buch, aber wenigstens einige Gedichte, zu lesen in „Zarathustras miese Kaschemme“, die bekanntlich alles andere als mies ist – man kann ihn da allerdings nur schwer finden, man muss die Lyrik-Abteilung ganz durchgehen, was ein bisschen Geduld erfordert. In der Kaschemme stellt sich Paul Laub kurz selbst vor, deshalb muss ich das hier nicht wiederholen, er wurde 1977 geboren, ich kenne ihn nicht persönlich. Es gibt viele Lyrik-Preise, viele Preisträger… Paul Laub hat bisher noch keinen Preis bekommen, das zeigt mir, wie es um die deutsche Lyrik bestellt ist. Hier drei Gedichte von ihm:
Dichters Nachtspaziergang…
Schlurfschritt. Kapuze. Hände in den Taschen.
Und immer einen Reim. Seit vielen Lenzen.
Stets kategorisch hart am Schaum, im raschen
Irrwechselgang versteckter Eloquenzen.
Muss ja nicht jeder wissen, was ich treibe.
Die Schnäppchenjäger sonder Feingeistsinn –
was wissen die von meiner innren Bleibe,
die mich zu dem macht, der ich wirklich bin!
Was wissen die von Wellen und Musik,
Dreifaltigkeitsmomenten und gelebten
Unsäglichkeiten und von den aspik-
nen Nächten, die entseelt vor Liebe bebten?
Hausmauerschattenschleichgang. Auf der Suche
nach irgendwas, das lohnt, es aufzuschreiben.
Ein kühles Bier, der Ignoranz zum Fluche?
Na immer doch! Und auf das Dichtertreiben!!!
Biergarten. Ha! Schenk ein, Frau Wirtin! Heute
hockt dir der Letzte, Frohste stumm bei Tisch
und schreibt im Beisein wohlstandsstarrer Leute
sein Manifest vorm Hinterhofgebüsch.
Schenk ein, Frau Wirtin! Alles dreht im Kreis.
Wo ist mein Windspiel? Wo mein Mittelfinger?
Wie viele Küsse küsste ich um welchen Preis?
Schenk ein, Frau Wirtin! Auf das Reimgeschlinger.
Gradwanderung an Haschischzigaretten.
Wohin das Auge blickt, ist Stadtgewimmel.
Von grauen, unverzierten Häuserglätten
tropf Nacht und Rausch und kalter Sternenhimmel.
Handindentaschenheimweg. Wie wir kommen,
so gehn wir wieder. Altes, altes Spiel.
Was zählt, ist, was man für sich mitgenommen… – –
Dies Gleichzuhausesein ist auch kein Ziel.
Noch eine kleine Runde in den Park?
Zum großem Welken? Und den flachen Teichen?
Der Herbst geht einem ganz durch Mark
und Bein – welch metaphysisches Vergleichen…
von Paul Laub
Müder Morgen
Ein letzter Schluck. Wie schön der Morgen dräut.
Die ersten Stunden sind die besten.
Entspanntes Rühren in Mojitoresten.
Sechsuhrgeläut
und Hunger auf was ganz unbändig Ganzes.
Schlafmangeldèjávus, die mild-heroisch,
ins Atmen fallen. Stoisch
das Amsellied. Des Sonnenglanzes
Tautropfenglimmen weht durch Birkenzweige.
Stadfenstermatinée.
Ich träum ein schwarzes Haar im Milchschaumschnee,
indes ich mich zum Abschied neige.
Von Paul Laub
Abend…
Für Anstand, Schönste, habe ich zuviel
gesehen und – weiß Gott wie blöd – verkackt.
Ich hab Oliven, Wein. Das alte Spiel.
Man hält nichts fest, was man nicht richtig packt.
Komm mit auf’s Dach. Der Sonnenuntergang
liegt blutrot schimmernd auf dem Tal.
Am Schornstein küssend wird die Zeit nicht lang.
Die Beine baumeln leicht vom Dachsteigstahl.
Der Blick nach West. Als ob der Himmel brennt.
Mir brennt das Herz in allerlei Gedanken.
Vergiss die Zeit, die rasend um uns rennt…
und mit ihr noch der Welt entmenschtes Zanken.
Von Paul Laub
Amsellied? Wieder mal Naturlyrik very handmade? Nicht ganz, es gibt auch Mojitoreste.
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Nicht ohne, wert gelesen zu werden
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