Lasker-Schüler

18. September 2013:

Höre

Else Lasker-Schüler, die Exotin, die sagenhafte lyrische Expressionistin, der literarische Paradiesvogel in Berlin um die Wende zum 20. Jahrhundert. Manchmal habe ich mich gefragt, warum sie zeitlebens ihren Doppelnamen beibehielt, konnte es leider nicht herausfinden und vermute, dass sie ihn einfach wohlklingend fand, was jedenfalls für meine Ohren auch stimmt. Denn freundliche Erinnerungen an ihren ersten Ehemann Berthold Lasker werden sie wahrscheinlich nicht dazu veranlasst haben – die siebenjährige Ehe mit dem Facharzt für Beinkrankheiten endete in einem Desaster, ein Sohn ging daraus hervor, der zumindest gerichtlich attestiert nicht von Berthold war, Genaues weiß keiner, den Namen des Vaters nahm Else mit ins Grab. Berthold Lasker war ebenso wie sein Bruder Emanuel ein sehr guter Schachspieler, aber Emanuel wurde Weltmeister und zu einem der berühmtesten Schachspieler aller Zeiten, apropos, nur so nebenbei: Bei Albins Gegengambit würde ich Ihnen als vierten Zug von Weiß nicht e3 empfehlen, denn sonst passiert was? Sie tappen in die Lasker-Falle – andererseits ist im Französischen der Lasker-Angriff durchaus empfehlenswert und auch die Lasker-Pelikan-Variante im Sizilianer… wie bitte, das interessiert Sie überhaupt nicht? Pech, nun haben Sie’s schon gelesen.

Die Vita von Else Lasker-Schüler ist hochinteressant – hier will ich nur auf ihre langjährige Liaison mit Gottfried Benn, dem Facharzt für Geschlechtskrankheiten, hinweisen… aber war es tatsächlich eine Liaison dangereuse oder nur eine platonische Beziehung? Darüber streiten sich die Gelehrten bis heute, Stand der Erkenntnis ist Platon, was ich mir zu bezweifeln erlaube, weil Gottfried Benn, obwohl er so gar nicht wie ein Adonis aussah, doch ein Schwerenöter sondergleichen war, er ließ überliefertermaßen keine Gelegenheit aus. Über Benn, über ihren „Giselheer“, sagte Else Lasker-Schüler unter anderem: „Täglich eine Leiche war sein Geschäft“ und über seine dichterische Begabung: „Der Knochen ist ein Griffel, mit dem er das Wort auferweckt.“ Eines der für mich schönsten Gedichte von Lasker-Schüler ist „Höre“ – mit diesen einmaligen Zeilen antwortete sie auf das Gedicht „Ist kein Trost“ von Gottfried Benn.

Höre

Ich raube in den Nächten
Die Rosen deines Mundes,
Daß keine Weibin Trinken findet.

Die dich umarmt,
Stiehlt mir von meinen Schauern,
Die ich um deine Glieder malte.

Ich bin dein Wegrand.
Die dich streift,
Stürzt ab.

Fühlst du mein Lebtum
Überall
Wie ferner Saum?

von Else Lasker-Schüler (1869-1945)

Hier ist kein Trost

Keiner wird mein Wegrand sein.
Laß deine Blüten nur verblühen.
Mein Weg flutet und geht allein.

Zwei Hände sind eine zu kleine Schale.
Ein Herz ist ein zu kleiner Hügel,
um dran zu ruhn.

Du, ich lebe immer am Strand
und unter dem Blütenfall des Meeres,
Ägypten liegt vor meinem Herzen,
Asien dämmert auf.

Mein einer Arm liegt immer im Feuer.
Mein Blut ist Asche. Ich schluchze immer
vorbei an Brüsten und Gebeinen
den tyrrhenischen Inseln zu:

Dämmert ein Tal mit weißen Pappeln
ein Ilyssos mit Wiesenufern
Eden und Adam und eine Erde
aus Nihilismus und Musik.

von Gottfried Benn (1886-1956)

2 Gedanken zu “Lasker-Schüler”

  1. Natürlich waren die beiden Geliebte und Liebhaber!

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