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Deeplookers Blog

~ Texte für die Schädelbasis

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Kategorien-Archiv: G – UND NOCH…

Im Stau

24 Freitag Jan 2014

Posted by deeplooker in Im Stau

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Einmal fuhr ich auf der Autobahn vor mich hin, in angemessenem Tempo, so etwa zwischen 100 und 200 Kilometer pro Stunde, als plötzlich Weiterlesen →

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The Wörld Is Ours

24 Dienstag Jan 2012

Posted by deeplooker in The Wörld Is Ours

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Lemmy Kilmister, die Frontwarze von Motörhead, wollte nie Gott sein. Mit 1,80 wär‘ er sowieso nicht groß genug dafür, schnauzt er den Haufen Groupies an, die diesen Bullshit ablassen. Wie kann man bloß so blöde glotzen, hey? Weiterlesen →

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An der Nordseeküste

10 Mittwoch Aug 2011

Posted by deeplooker in An der Nordseeküste

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Voriges Frühjahr schleppte ich mich spätabends mit einem Schnappmesser im Bizeps durch die Bronx, glatter Durchstich, aber der Abbruch meines Urlaubs. Nachdem die Wunde ausgeheilt war, wuchs die Verlockung umso mehr. Über Weihnachten sog ich statt Spekulatiusduft den Verwesungsgeruch in Kalkutta ein, es war am Morgen der Heiligen Nacht, als ich dem Leichenkarren durch den Morgennebel folgte, der sich vom Ganges her ausgebreitet hatte. Die Männer arbeiteten sich routiniert Straße für Straße vor, bis der Wagen vollgeladen war und vereinzelt bläuliche Arme und Beine von der Ladekante herabhingen.

Wieder zu Hause, während der Nachbehandlung des Brechdurchfalls, feilte ich fieberselig an meinem nächsten Urlaubsziel: Sommerfrische in Cuxhaven. Mein Nachbar, ein Zinnkrüge-Sammler von Rang, hatte sich über die Vorzüge des Nordseebades an der Elbmündung so eindrucksvoll ausgelassen, dass ich diesen Ort unbedingt besuchen musste.

Der Sommer kam. Meine Erwartungen schienen sich zu erfüllen, denn schon am Ankunftstag durfte ich bei einem Spaziergang wohlig unter dem Hammerschlag der tidenabhängigen Tristesse erschaudern. Mit wachsender Begeisterung gab ich mich der Betrachtung des Gästehauses Pape hin, wo ich mich für die kommenden Tage eingemietet hatte. Das Gebäude gab seine Funktion unübersehbar preis, durch den Schriftzug ‘Gästehaus Pape’. Als Vorhut der Rezeption wachte ein grüner Müllcontainer auf Rollen neben dem Eingang, mit dem die Geschäftsleitung das Fassungsvermögen ihrer sauberen Absichten demonstrierte. Ich hatte einen Volltreffer gelandet, herrlich, das Gästehaus Pape war fraglos ein Kleinod baulicher Enthaltsamkeit, flächendeckend umgeben von grauem Betonstein-Pflaster, das die Betreiber von der Notwendigkeit enthob, einen Garten anzulegen, mit Widrigkeiten wie Unkräutern und ausufernden Rasenkanten, mit all dem Wildwuchs, den die Natur hervorbringt.

Das Gästehaus Pape erregte meine Phantasie, es übte eine faszinierende Austrahlung auf mich aus. Ich überlegte – ja, hier wurde dem Gast schon von außen verdeutlicht, dass der Zweck die Mittel heiligt, dass er hier sein Haupt zur Nachtruhe betten sollte, dass Ausschweifungen, etwa sich bis in die Morgenstunden hinein zu verlustieren, strafende Blicke der Bedienung beim Frühstück nach sich ziehen würden. In meiner Vorfreude näherte ich mich immer mehr dem Eingang, doch dann riss ich mich zusammen und ging auf das Meer zu.

Das wilde Meer, die Nordsee, sie hatte sich meinen Blicken entzogen. Nicht einmal den Horizont vermochte ich auszumachen im Zwielicht dieses Tages. Auch keine Sonne, nur Schlieren von Glanz auf dem Watt, ein irisierender Glanz, der in die Augen biss, darüber Dunst, gleißend hell, grenzenlos. Da lag es, das Watt, dieser Grenzhort maritimen Lebens aus Sand und Schlick, mit Prielen und Abflüssen, mit tückischen Schwemmsänden, die gelegentlich Menschen, sogar ganze Kaltblüter in ihren Schlund hinabzogen, mit Unmengen von Lachen, in denen es wimmelte vor Würmern und Krebstierchen. Für einen Moment erstarrte ich – welch ein Gedanke, dass die See endgültig zurückweichen könnte, die Flut ausbleiben, der Mond hinter der Erdkugel verharren könnte, entgegen allen Gesetzen der Physik.

Ich suchte, bis ich auf etwas Konkretes stieß, zuerst auf die Buhnen, hunderte von Metern ins Watt hineingebaut, um das Meer zu bezähmen, an den Spitzen bevölkert von Erhohlungssuchenden, die sich dem Zauber der lautlos auflaufenden Wassermassen überließen, dem Kribbeln von Gefahr, dem Gefühl, eine Urgewalt zu erleben, sich ihr sogar bis über die Sohlen der Badelatschen auszusetzen.

Fast unaufhaltsam zog es mich zur Trinkkurhalle am Ende des asphaltierten Gehweges auf dem Deich. Die Trinkkurhalle sollte zum Höhepunkt meines Trips werden, ich wurde nicht enttäuscht. Hier saßen alte Menschen, die sich am Meerestiefenwasser labten, an diesem sagenhaften Lebenselixier, sie tranken es schweigend, geradezu andächtig. Zuerst hatte ich den Eindruck, eine etwas verstaubte Gasstätte zu betreten, aber dann, als ich vor meinem Glas Meerestiefenwasser saß, veränderte sich dieser Eindruck langsam – ich kam mir vor wie in einer Kapelle, ich spürte Werden und Vergehen. Hier war es wieder, das Ende, mein bevorzugtes Reiseziel. Der Blick hinaus auf das Meer, nun konnte ich es sehen.

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Stiller Ozean

05 Freitag Feb 2010

Posted by deeplooker in Stiller Ozean

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Stiller Ozean, Pazifik, spätabends vor der südchilenischen Küste. Es wird nicht ganz dunkel, ein Lichtstreifen über dem Horizont belauert die Nacht. Endlich kein Mensch mehr auf dem Achterdeck, eine Erlösung.
Fast kein Mensch, hinter mir die Stimme von Mike: „One drink, Sir?“
Mike kommt von den Philippinen, aus Mindanao. Er ist immer da, er braucht keinen Schlaf, er schläft mit offenen Augen im Stehen. Sein ‚Sir’ klingt nicht routiniert, das ist das Tückische. Eigentlich möchte ich nicht geadelt werden, ich fürchte mich vor der Weltläufigkeit, die unter den Passagieren auf dem Kreuzfahrtschiff grassiert.
„Gin-Tonic, Sir?“ Schweigen heißt Zustimmung, Mike bringt mir den Drink, für sechs Dollar plus Steuer.

„Hier hat man seine Ruhe.“ Der Deutsche hat sich schon hingesetzt. Ich starre hartnäckig auf den Lichtstreifen in der Ferne.
„Eine wunderbare Nacht.“
„Ja.“ Zu kurzangebunden, ich bin unhöflich. „Ja… schön warm.“
„Ich hab’ nichts anzuziehen, wissen Sie.“
„Äh… wieso?“, frage ich. Mir bleibt kein Ausweg, ich muss ihn das fragen.
Mit einem Seitenblick prüfe ich, ob der Mann nackt ist – nein, er trägt ein weißes T-Shirt mit Aufnäher und eine weiße Bügelfaltenhose.
„Mein Koffer ist weg.“

Es nimmt kein Ende: Sein Koffer könne irgendwo, in New York, in Neu-Dehli oder in Daressalam gelandet sein, sagt er – da wäre er zwar schon überall gewesen, aber das nütze ja auch nichts, sagt er und dann: „Das muss man sich mal vorstellen!“
Ich versuche es. Wo liegt noch Daressalam, ach ja, in Afrika, Sahel-Zone. Die Leute sind arm dort, ich glaube, es gibt Kämpfe wegen… vielleicht Stammesfehden oder wegen des Islam. Überall Kämpfe auf der Welt, Kämpfe in Daressalam, während ich unter dem Sternenhimmel des Pazifik einen Drink nehme. Ich nehme einen Drink, ich nehme ihn – einen Drink zu trinken, das geht nicht. Den Mann stört, dass meine Aufmerksamkeit nachlässt, sein Blick wird streng. Er schwadroniert weiter, er wird die Fluglinie verklagen, er kann nicht mal am Captains-Dinner teilnehmen, weil der Smoking weg ist. Sein Blick wird noch strenger – die Welt hat sich gegen ihn verschworen, um ihm den Urlaub zu verderben.

„Sowas nennt sich nun Business-Class! Und die aus der Holzklasse haben alle ihre Koffer.“
Holzklasse also – ich wohne unten im Schiff in der billigsten Innenkabine. Wahrscheinlich hat er eine Suite mit Balkon.
Keine Flucht mehr möglich, der Mann hat per Victory-Handzeichen zwei Drinks geordert. Mike ist sofort hinter den Tresen gesprintet, wo ich die Eiswürfel klacken höre.
„Your drink, Sir!“ Mike meint mich. Ich weiß, er will mir sein sardonisches Lächeln verpassen. Da – und er kneift dabei auch noch ein Auge zu.

„Merken sie, wie still es ist?“
Ich horche… tatsächlich.
„Ist die Maschine abgestellt?“ Meine Frage bringt den Mann aus der Fassung.
„Ha, ha, ha, ha, ha!“ Er brüllt vor Lachen, verschluckt sich, prustet mich an. Ich wische mir unauffällig am Hemd die Hände ab. Mike aus Mindanao tänzelt nervös zwischen den leeren Tischen, weil er um die Nachtruhe der Passagiere fürchtet.
„Schleichfahrt!“, krächzt der Mann, wartet einige Sekunden, bis er wieder normal sprechen kann. „Sonst kommen wir zu früh in Puerto Montt an, kostet zusätzliche Liegegebühren. Geht immer um Geld, wissen Sie.“
„Ach so.“
„Sie sind ein feiner Kerl! Kommen Sie, heute Nacht trinken wir einen, Sie sind eingeladen.“
Ich bin ein feiner Kerl? Ist doch egal, wie er darauf kommt. Der hat bloß keine Lust, alleine zu saufen. Der südliche Sternenhimmel, wie exotisch – schlafen könnte ich sowieso nicht, ich würde mich nur ärgern.

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Uncooler Tatterfunk

03 Mittwoch Feb 2010

Posted by deeplooker in Uncooler Tatterfunk

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– aufgeschrieben im Mai 2008

Knapp drei Jahrzehnte nach ihrem Entstehen wollen die privaten Medien ihre unerträglichen Konkurrenten schleifen. Parole: Auf Dauer knackt Geld alles, auch die öffentlich-rechtlichen Medien und unabhängigen Journalismus.

ARD und ZDF stehen scheinbar auf verlorenem Posten. Sie sind zu starr strukturiert, außerdem mutieren sie langsam zu Rentnersendern. Die meisten jungen Leute zappen den uncoolen Tatterfunk verächtlich weg. Auf sie wirken die Granufink-Medien zwar kompetent, aber in erster Linie verstaubt mit all den Jodl-Sessions, öden Beziehungsdramen, Talkrunden und Hintergrundberichten zur Regierungsbildung in Kirgisistan. Diese Art von Vielfalt geht zunehmend an der jüngeren Generation vorbei.

Unter anderem müsste die öffentlich-rechtliche Nachrichtenseuche überwunden werden. Das heißt nicht, den Leuten Nachrichten vorzuenthalten oder diese gar vorzuzensieren – es geht darum, dass in den zahlreichen öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendern nicht tausend Mal am Tag der immer gleiche Informationsmüll heruntergebetet wird, wie zum Beispiel ein Telefonat der Kanzlerin mit Sarkosy oder irgendein Streit in der Koalition. Das unaufhörliche Wiederkäuen täglicher Pseudo-News ist teuer und überflüssig. Dagegen hat die regionale Berichterstattung einen höheren Stellenwert, doch auch dort kann man den Aufwand mit Bedacht nach unten anpassen – denn das gemeinsame Musizieren der Landfrauen wird erst fernsehtauglich, wenn in der Gegend ansonsten nichts los ist.

Für das Bildungsbürgertum gibt es Phoenix, 3-SAT, Arte und sogar öffentlich-rechtliche Spezialkanäle. Allerdings meiden sehr viele Deutsche diese Angebote wie der Teufel das Weihwasser – diese Tatsache kann man nicht einfach verdrängen, auch nicht zugunsten einer Beschäftigungstherapie für ein Heer von Redakteuren. Denen sind ihre Jobs zu gönnen, aber ARD und ZDF sollten sich dringend fragen, ob sie es sich im warmen Kuschelbett garantierter Gebühreneinnahmen nicht zu bequem gemacht haben. Die hochmögenden Intendanten mit Sinn für das Staatstragende entstammen zumeist der Grauzone eines weitgehend anonymen Parteiengekungels – es ist zweifelhaft, ob solche Leute die öffentlich-rechtlichen Medien für alle Bevölkerungsschichten attraktiver machen können. Ohne es zu ahnen, könnten sie die Totengräber ihrer eigenen Institutionen werden.

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Über die Toten nur Gutes oder…

01 Montag Feb 2010

Posted by deeplooker in Über die Toten nur Gutes oder...

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…vom selektiven Entsetzen der Heuchler

– aufgeschrieben im Dezember 2008

In Baden-Württemberg ist die Harmonie des deutschen Seins unerschütterlich. Dort regiert der Nazi-Relativierer Günther Oettinger, und dort ruht Hans Filbinger in Frieden. Er hat seine Pflicht erfüllt, auch im ländle-typischen Sinne von Geschichtsvergewaltigung und Verbohrtheit bis zuletzt. Viele Baden-Württemberger taten damals nur ihre Pflicht: Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Josef Goebbels und so weiter – möglicherweise zu exzessiv, raunt man sich im Ländle zu. Deshalb wurde diesen Nazi-Massenmördern kein Grab zuteil, wie auch nicht Adolf Hitler, dessen Pflichterfüllung mit der lakonischen Aussage abschloss, das deutsche Volk habe ihn verraten.

Als Brigitte Mohnhaupt entlassen wurde, stand in einer Zeitung, dass sie mit gesenktem Kopf aus der Haftanstalt geschlichen sei, aus einer baden-württembergischen Haftanstalt, in dem Bundesland, wo sie auch verurteilt wurde. Vielleicht ging Brigitte Mohnhaupt langsam und schaute dabei ein paar Mal nach unten. Aber das hätte sie nicht tun sollen, sie hätte wissen sollen, dass sie den Eindruck einer von ihren Untaten geschlagenen Hündin hinterließ – ein Bild, das eine Rechtschaffenheit von Delinquenz ohne Grenzen bereitwillig kolportierte.

Christian Klar entstammt einer gutbürgerlichen baden-württembergischen Familie, und er sitzt in einem baden-württembergischen Zuchthaus. Nun kommt der in der Öffentlichkeit fast als Monster dämonisierte Terrorist frei. Er hat kaltblütig neun Morde begangen oder sie geplant. Dafür wurde er zu fünf Mal Lebenslänglich plus weiterer Haft verurteilt. Und deshalb verbrachte er nahezu die doppelte Zeit im Gefängnis, mit der ein ‘normaler’ Mörder als Strafe rechnen muss.

Wie die anderen RAF-Täter mordete Christian Klar nicht aus Habgier oder aus gängigen niedrigen Beweggründen. Er hatte keine persönliche Beziehung zu den Opfern. Damit lässt sich gar nichts entschuldigen und gar nichts rechtfertigen – diese Feststellungen sind schlicht zu treffen, unabhängig von dem Ausmaß der persönlichen Schuld. Die Opfer waren aus Sicht der Täter Repräsentanten des kapitalistischen Systems, ihre Begleiter und Unbeteiligte, die sich zufällig am Ort des Geschehens befanden. Inzwischen herrscht bei Historikern die Meinung vor, die RAF habe damals schon nicht mehr politisch zielgerichtet Morde begangen, sondern habe aus einem Zustand psychisch-moralischer Verirrung heraus gehandelt. Wenn das so war, dann hätte man es berücksichtigen müssen – auch der Bundespräsident hätte es sich vor Augen führen können, bevor er Klar und Birgit Hogefeld seine Gnade verweigerte.

Horst Köhlers Ablehnung war leider nicht souverän, sondern es war die Entscheidung eines Abgesandten des konservativen Lagers, damit beauftragt, bei den RAF-Terroristen nach 24 Jahren Haft eine Gesinnungsprüfung vorzunehmen, die wie moderne Inquisition anmutete. Der Bundespräsident wusste um die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs, ebenso dass Christian Klar unter anderem wegen seiner anhaltenden Kapitalismuskritik inhaftiert blieb – während überführte Nazi-Mörder in Baden-Württemberg zu Ehren kamen. Horst Köhler begründete seine Entscheidung nicht, weil er es nicht konnte.

Um den Fall Christian Klar wabert ein Anspruch der Gesellschaft auf Reumütigkeit des Täters, wie er bei Gewaltverbrechen vorher noch nicht erhoben wurde. Meistens begnügt sich die Justiz bei der Freilassung eines Häftlings mit dem Nachweis guter Führung, mit einer Distanz, die der Täter nach vielen Jahren im Gefängnis automatisch eingenommen hat, und damit, dass er in Zukunft keine Gefahr mehr darstellt. Explizite Reue wird nicht verlangt. Dieses Ansinnen wäre unrealistisch, denn es würde die Täter und die Behörden überfordern. Entscheidend bleibt: Der Staat muss per Gesetz kriminelles Fehlverhalten ahnden, aber er darf sich niemals das Recht auf Gehirnwäsche herausnehmen.

Jürgen Vietor, heute 66-jähriger Co-Pilot der nach Mogadischu entführten ‘Landshut’, gibt mit einer unsäglich moralisierenden Geste sein Bundesverdienstkreuz zurück. Er geht mit seiner Empörung über die Freilassung von Christian Klar hausieren und sonnt sich in bewundernden Kommentaren. Man hätte Klar per Sicherheitsverwahrung bis zu seinem Tod im Zuchthaus schmoren lassen müssen, deklamiert der selbsternannte Richter – und vergreift sich unwidersprochen an den Errungenschaften des humanen Strafrechts, das als Befreiung von der nationalsozialistischen Terror-Justiz zustande kam.

Christian Klar bleibt ein bekennender Staatsfeind. Seine Unbeugsamkeit können viele ebenso wenig ertragen wie seine fehlende Reue. Er hat für seine schlimmen Taten schwer gebüßt, doch er hat keine Buße getan. Das ist seine persönliche Angelegenheit und nicht justitiabel.

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Warum nicht mal nach Ägypten?

16 Samstag Jan 2010

Posted by deeplooker in Warum nicht mal nach Ägypten?

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Warum nicht nach mal Ägypten, wenn es hier im Frühjahr so kalt ist? Land der Pharaonen. Elf Tage Fünf-Sterne-Hotel für kleines Geld ist doch nicht schlecht, dachte ich mir. Erster Pauschal-Urlaub meines Lebens – und wohl auch der letzte. Ein paar Klicks im Internet, schon sitzt man im Flugzeug nach Hurghada. Sitzen? Irgendwie brachte ich die erste halbe Stunde zu, mit angezogenen Knien, mit in den Gang ausgestreckten Beinen, stehend oder unter Quetschversuchen, die ein lautes Knacken in der Lehne vor mir auslösten. Größe 1,93 steht im Personalausweis, ist ewig her, inzwischen bin ich bestimmt schon geschrumpft. Längeren Menschen rate ich von solchen Flugreisen dringend ab. Weil ich mich nicht noch mehr lächerlich machen wollte, verweigerte ich die Beköstigung, worauf mich die Stewardess beim nächsten sinnlosen Gang zum Klo zur Seite nahm und fragte, ob sie irgendetwas für mich tun könne. So verbrachte ich die Zeit bis zur Landung hinten auf ihrem persönlichen Klappsitz, bei einem Rotwein, den ich bei dieser Fluggesellschaft nicht vermutet hätte.

Hurghada ist ein fast 80 Kilometer langes Touristen-Raumschiff, eine Aneinanderreihung von Resorts, Hotel-Paradiesen und architektonisch gnadenlos verkitschten Träumen aus tausendundeiner Nacht. Vor den Sonnenschirm-Batterien über den Liegestühlen plätschert sich das Rote Meer müde am Strand aus, als ob es vom Trubel erschöpft wäre. Die Badezonen sind abgegrenzt, alles, bis zum persönlichen Handtuchwart, ist geregelt, alles wird optimiert, um die Gäste zufriedenzustellen. Wer aus dem starr gesteckten Rahmen dieser Wohltaten ausbrechen will, kommt in Schwierigkeiten, denn was auch nur entfernt nach individuellen Aktivitäten riecht, ist praktisch ausgeschlossen: Man kann sich kein Auto mieten, außerhalb der Kleinstadt Hurghada erstreckt sich die Steinwüste, und außer peinlichen Folklore-Aufführungen in den Hotels gibt es kaum Angebote oder Unterhaltungsmöglichkeiten. Ich sehe mir also, schon mehr aus Verzweiflung, das Städtchen Hurghada an und treffe auf unüberschaubare Reihen von Läden voller Nepp. Fast alle Geschäfte haben das gleiche Angebot, etwas Authentisches sucht man vergeblich. „Du Deutschland? Deutschland schön – willst Du kaufen billig Wasserpfeife?“ In Ägypten gibt es sicher mehr Wasserpfeifen als Einwohner: Das sind immerhin 70 Millionen.

Was bleibt, sind organisierte Touren in die faszinierende Vergangenheit des Landes, die man heute noch bestaunen kann. Laut Reiseführer sind in Ägypten über 90 Prozent aller bedeutenden Kulturdenkmäler der Welt versammelt. Nach Luxor: Morgens halb sechs kommt der Bus. Hinter mir sitzt ein Berliner Rentner-Paar, nette Leute, er zuckerkrank und wohl auch schon etwas vergesslich, alle zehn Minuten sagt er zu seiner Frau: „Um Achte muss ick spritzen.“, und sie dann: „Ja, ick wees, Herbert.“ Der Reiseführer heißt Ahmed, er hat in Hamburg Elektrotechnik studiert. „Fast alle ägyptischen Männer heißen Ahmed, Mahmud oder Ali“, lacht er ins Mikrophon. Der Bus werde nun erst einmal zum Treffpunkt etwas außerhalb fahren. Wieso Treffpunkt? Die Busse sammeln sich dort, weil man nur im Konvoi nach Luxor fahren dürfe. Der Treffpunkt erinnert mich an einen verlassenen Flugplatz. Etwa hundert große Reisebusse kommen an – eine Viertelstunde Pause – ein Menschenauflauf ohnegleichen. Ich rechne mir aus, dass ungefähr fünftausend Touristen an dem gemütlichen Ausflug nach Luxor teilnehmen.

Die Fahrt dauert knapp drei Stunden, immer wieder müssen alle Busse an ‚Traffic Control Points’ halten, mit Verengungen, Schikanen und Stacheldraht-Verhauen. Überall stehen kleine Türme mit Schießscharten, aus denen die MG-Läufe ragen. Es wimmelt vor Uniformierten, die meisten von ihnen Halbwüchsige, die gelangweilt herumstehen und in der Nase bohren – überhaupt habe ich noch in keinem Land der Welt so viele Soldaten und Polizisten gesehen. Als ich unseren Reiseführer frage, was der Aufwand soll, wird er wolkig: Es gebe in der Wüste wildgewordene Beduinen, die harmlose Urlauber überfallen, und er verweist auf das Blutbad am Luxor-Tempel vor einigen Jahren. Ich glaube ihm nicht. Mit jedem Tag länger in Ägypten verfestigt sich mein Verdacht, dass die Touristenströme systematisch kanalisiert werden, um sie vor dem Land möglichst abzuschotten. Angesichts der Millionen von Besuchern pro Jahr fürchtet man wahrscheinlich um die islamische Identität der Nation.

Das Luxor der Gegenwart bietet das Bild einer unscheinbaren Stadt am Nil mit vielen bettelnden Kindern. Zum ersten Mal den Nil zu sehen, ist ein Erlebnis: der Schicksalsstrom dieses hoffnungslos überbevölkerten Landes mit einer Geschichte, die über dreitausend Jahre zurückreicht. Man vergisst sein verschmutztes Wasser, wie er so breit und erhaben dahinfließt, an beiden Seiten nur von sehr schmalen, aber sehr fruchtbaren Landstreifen gesäumt, unmittelbar dahinter die Wüste. Am Ufer liegen die Nilkreuzfahrtschiffe in Paketen vertäut – die meisten von ihnen in marodem Zustand, Rost überall, Haufen von Tauen, die nicht aufgeschossen wurden, Müll, auf den Decks die Schiffer, mit nichts anderem beschäftigt als ihrem Würfelspiel.

Alles wird an einem einzigen Tag abgehechelt: Der Hatschepsut-Tempel, die Kolosse von Memnon, das Tal der Könige, diese gewaltige Grabanlage, eingegraben in den Rand der Wüste – und zuletzt die Karnak-Tempelanlage, für die allein man zwei Tage ansetzen sollte, selbst wenn man, wie ich, nicht eben kulturbeflissen ist. Obwohl der Karnak-Tempelbezirk von Menschenmassen belagert wird, raubt er mir in seiner Imposanz und Ausdehnung den Atem, ich stehe wie verloren da. Endlich ist der Reiseführer mit der Gruppe im Gewühl verschwunden, ich will seinen Vortrag nicht anhören, sondern überlasse mich lieber meinen Eindrücken. Die Vorträge – in allen möglichen Sprachen schallen sie durch die Tempelanlage, aber ich finde an einer Seite einen Platz, wo es still wird, wo plötzlich kein Mensch mehr ist. Ich stehe allein inmitten der mächtigen Säulen, sie mögen vier Meter breit sein und zwanzig Meter hoch: ein unvergessliches Gefühl.

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