– Rückblick auf den Angriff Isreals auf den Libanon von 2006
– Nachtrag: Elie Hobeika
– aufgeschrieben im März 2008
Der von Isreal und Amerika gemeinsam geplante Angriff auf den Libanon im Jahr 2006 war vernichtend. Die Massenflucht aus der Zedern-Republik machte die Dimension der Säuberungsaktion deutlich. Ähnlich wie im Irak spekulierte man darauf, dass die dürftigen Vorwände für den Krieg später nicht mehr interessieren würden: der Beschuss Israels mit Katyusha-Raketen am 13. Juli und die Entführung von zwei jüdischen Soldaten am 12. Juli durch die Hisbollah. Ähnlich wie im Irak wurde wieder ein Krieg geführt, der dem normalen Verständnis eines Krieges widersprach, weil der militärische Gegenpart aus einer diffusen Guerilla bestand, deren Aktivitäten sich auf Terrorakte beschränkten.
Der Libanon bleibt ein Spielball zwischen westlichen Interessen und arabischen Ansprüchen. In die Zeit des endlosen Bürgerkrieges von 1975 bis 1990 fällt der 5. Nahost-Krieg von 1982 bis 1985, als Israel die pälestinensische Al-Fatah aus dem Libanon nach Tunesien vertrieb, zumindest deren Führung. Ein weiteres Hauptziel der Juden, nämlich den syrischen Druck auf Beirut zu beseitigen, wurde damals verfehlt.
Anfang der neunziger Jahre konnte sich der Geschäftsmann und Milliardär Fariq el-Hariri im politischen Vakuum des Landes etablieren. Er wurde zwei Mal Ministerpräsident des Libanon, er vermittelte erfolgreich mit Syrien und war auch dem Westen genehm als kommerziell ausgerichteter Erneuerer der ‚Schweiz des Ostens’. Im Laufe dieses restaurativen Wiedererstarkens der Nation wuchs die Abneigung gegen den syrischen Einfluss. Es ist allerdings ein Missverständnis, dass die Widerstände gegen Syrien ausschließlich der zunehmenden West-Orientierung im Libanon entsprangen – dabei darf die Rolle der schiitisch dominierten Hisbollah nicht unterschätzt werden. Die unterhält zwar nach wie vor eine eigene große Botschaft in Damaskus, neben der libanesischen, doch Baschar al-Assad, der syrische Führer, ist Alawit und als solcher Angehöriger einer islamischen Randgruppe, die sich für viele Araber zu weltlich orientiert.
Am 14. Februar 2005 kam der libanesische Ministerpräsident Hariri bei einem Attentat ums Leben, mit ihm starben weitere 22 Menschen. Der Anschlag beschäftigte die Weltöffentlichkeit, es wurde ein UN-Untersuchungsausschuss gefordert, der die syrische Schuld an dem Anschlag nachweisen sollte. Seinem Nachfolger im Amt, dem Sunniten Fouad Siniora, gelang es nicht, das Land nachhaltig zu stabilisieren, denn er hatte es mit Emile Lahoud zu tun, dem pro-syrischen repräsentativen Oberhaupt des Landes, und dazu mit Sayyid Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah – mächtiger Schattenmann im Libanon, der inzwischen eigene Steuern erhebt und gegen den gar nichts läuft.
2006 schlugen in Israel innerhalb von zehn Tagen mehrere hundert Raketen ein, die meisten davon eher wirkungsschwache Katyushas. Doch zwischenzeitlich hatte der Iran die Hisbollah aufgerüstet: Fajr-Raketen (bis 200 km), Raad-Raketen (bis 350 km), Zelzal-Feststoff-Raketen (bis 200 km – 600 Kg Sprengstoff) und schließlich die gefährlichen Marschflugkörper des Typs C-802 aus chinesischer Produktion. Eine dieser C-802 hatte bereits eine israelische Fregatte schwer getroffen.
Diese Aufzählung kann nicht den Blick dafür verstellen, dass Isreal seit langem und detailiert über diese Kapazitäten informiert war. Vor der aktuellen Libanon-Krise gab es schon mehrere Einschläge auf israelischem Gebiet. Isreal sah sich einer neuen Bedrohung ausgesetzt, die sie nicht mehr vollkommen beherrschen konnte und schlug um sich. Mit der pauschalen Aggression dokumentierte der Judenstaat zwar militärische Stärke, doch faktisch auch Schwäche. Das beweist die humanitäre Ignoranz, mit der vorgegangen wurde, in stillem Einverständnis mit den USA – und unter anderen mit den Deutschen, ihren Vasallen.
Die israelische Militär-Aktion erwies sich als eine Mischung aus Prävention und dem akuten Gebot, die Hisbollah endgültig aus dem Nachbarland zu vertreiben. Doch überzogene Notwehr-Reflexe verzerrten damals eine realistische Beurteilung der Lage: Die Hisbollah war nämlich, besonders im Süden des Landes, ein Eigengewächs – und nicht in erster Linie das Ergebnis eines tätigen Ideologie-Importes aus dem Iran. Ohne iranisch-syrische Unterstützung wäre die Hisbollah jedoch ein beherrschbares Geflecht nachrangiger Terror-Zellen geblieben. Im Vergleich zum Irak gab es dort keine Scharen von indoktrinierten Legionären aus dem arabischen Umkreis.
Ohne den Iran wäre die Terror-Miliz also schwach, vielleicht vernachlässigbar schwach – aber ihre militärische Aufrüstung war die Folge des tiefen Hasses auf den Westen, der die Gefühle der gesamten Hemisphäre bestimmte und nach wie vor bestimmt. Die Hisbollah wurde zu einem organischen Teil der libanesischen Bevölkerung: Wer heute die Hisbollah niederkämpfen will, zerstört den ganzen Libanon.
Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel – der Libanon mit seinen knapp vier Millionen Einwohnern sollte in die Quasi-Protektorate um Israel herum eingereiht werden, wie Ägypten und Jordanien. Ein paar hunderttausend Menschenleben und Existenzen spielten dabei keine Rolle für Bush, Merkel und Co. Sie schürten das Feuer in ihrem missionarischen Eifer für eine brutale Freiheitlichkeit weiter.
Fazit: Die sieben Millionen Juden müssen mit ihrem kleinen Staat herhalten für hegemonialen Wahnsinn, bereits seit Jahrzehnten: Die historisch überhastet aufgebaute Not-Nation der Semiten als Fels in der Brandung, als zwar nachvollziehbar, aber eher sinnlos im Nahen Osten gestrandete Phalanx gegen das sogenannte Mittelalter und das Böse an sich – wer daran glaubt, möge damit selig werden. Man führt uns die Araber als Schuldige für das Versagen des Westens vor. Und wir hassen zurück.
Die Geschichte von Elie Hobeika:
Die Massaker von Sabra und Schatila vom September 1982 habe ich nie vergessen, vielleicht deshalb nicht, weil Ariel Sharon damit als der ’Schlächter von Beirut’ in die Geschichte einging.
In Elie Hobeika, dem Chef der faschistischen ‚Forces libanaises’ fand der Mossad einen geeigneten Helfer für seine Mordpläne. Hobeikas Karriere begann als Leibwächter des Gemayel-Clans – Pierre Gemayel war Begründer der christlichen Phalange, sein Sohn Amir wurde Ministerpräsident des Libanon. Mit dem anderen Sohn Bachir Gemayel, Pierre Gemayels Nachfolger in der Phalange, arbeitete Elie Hobeika auch zusammen. Bachir Gemayel kam 1992 bei einem Anschlag um. Hobeika war ebenfalls Mitstreiter des Christenführers Samir Geagea – heute der wohl prominenteste Häftling im Libanon. Später gingen noch zwei weitere Attentate auf Hobeikas Konto: Der Mord an Tony Franjieh, Führer der rivalisierenden Marada-Christenmiliz, und der Mord an Dany Chamoun, dem populären Repräsentanten der maronitischen Christen (seine deutsche Ehefrau Ingrid und die beiden Söhne wurden dabei auch getötet).
Im Gegensatz zu Sharon gab es niemals Bestrebungen, Elie Hobeika wegen des Massakers, bei dem fast 2000 Menschen umkamen, anzuklagen, auch nicht wegen seiner anderen Verbrechen. Ariel Sharon wurde von der israelischen Kahan-Kommission sogar eine Mitverantwortung für den Massenmord zugewiesen – es habe bei ihm allerdings bei ‚kein Vorsatz’ vorgelegen. Versuche belgischer Juristen, Sharon vor ein internationales Tribunal zu bringen, wurden unterlaufen. Hobeika starb 2005 durch einen Bombenanschlag. Man braucht nicht lange zu raten, wer den Anschlag ausführte.