Kraft in den Teller, Knorr auf den Tisch – aber bitte nicht Katar in die Suppe spucken, Beckenbauer sagt:

„Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen.“

Allerdings ist ungewiss, ob unser feiner FIFA-Franz überhaupt sein Sechs-Sterne-Hotel verlassen hat, wahrscheinlich hat er beim Tranfser mit dem Rolls Royce oder mit dem Schraubhuber nach Sklaven Ausschau gehalten – und da waren eben keine, nicht ein einziger Sklave, dafür überall Scheichs in weißen Bettlaken und mit den eingerollten Geschirrhandtüchern auf dem Kopf.

Was heißt schon Sklaven? Die ganze Welt ist voller Sklaven, fast alle sind es – eigentlich wäre die umgekehrte Frage berechtigter: Wer ist kein Sklave? Wer nicht leidet, der ist kein Sklave. Je erträglicher die Versklavung wird desto weniger wird sie als solche empfunden, desto mehr wird der Begriff durch den der existenziellen Abhängigkeit ersetzt, und je bequemer, je luxuriöser die Lebensbedingungen werden desto mehr verwandelt sich die Abhängigkeit wie durch Zauberhand zu einem Weltbild, das verlogener nicht sein könnte.

Ein böser Drache und ein böser Götze sind über die Welt gekommen – der Drache spuckt unablässig neue Menschen auf die kleine Erde aus, besonders in Ost- und Südost-Asien – der Drache hat zum Beispiel die philippinische Haupstadt Manila in den letzten 50 Jahren von 3 auf 13 Millionen Einwohner ansteigen lassen – bei dem Taifun „Haiyan“ kamen voriges Jahr 5.000 Philippinos um, das entspricht der Bevölkerungszunahme auf den Philippinen an einem Tag – die indische Bevölkerung stieg in den letzten 50 Jahren um das Dreifache an, von 400 Millionen auf 1,2 Milliarden Menschen, die Weltbevölkerung von 3 auf 7 Milliarden Menschen.

Und der böse Götze, unser moderner Gott, den wir als das Kapital anbeten, ist der große Sklavenhalter – die ganze Erde ist seine Plantage, auf der es vor Menschen nur so wimmelt. Weil wir Europäer auf der Stufenleiter der Sklaven-Hierarchie noch ziemlich weit oben stehen, nennen wir unseren Zustand Freiheit, noch… unsere Position ist leider nicht stabil, sie ist vom Wohlwollen des Kapitalgottes abhängig, dessen Ratschluss jedenfalls bisher noch unergründlich zu sein scheint, andererseits kein Wunder, wo er doch gar nicht existiert. Dass unser korrupter Freiheitsbegriff die moderne Sklavenhaltung erlaubt, sie sogar mit einschließt, das wagen wir bloß vor uns selbst nicht zuzugeben – denn wir würden uns damit zu verklavten Sklavenhaltern machen, eine unschöne Vorstellung, weil wir so gern mit der Menschenwürde wie Staubsaugervertreter hausieren gehen. Wer in Nepal als Unberührbarer geboren wird oder auf den Philippinen als eines von zwölf Kindern auf dem Land, der wird als Sklave geboren, er wird zu 99,99 Prozent als Sklave sterben, und er wird mehrheitlich ein jammervolles Leben fristen. Würde ist für diese Menschen einfach nicht vorgesehen, keiner will sie tatsächlich realisieren, natürlich außer den Milliarden Elenden, wir aber wollen diese Gerechtigkeit insgeheim auch nicht, die Rhetorik dient als Placebo, der Anspruch auf Gerechtigkeit für alle ist die Dauerillusion unserer Kompetenz in Sachen Menschlichkeit – Massenhaftigkeit, dieser böse Drache hat die Konsistenz unserer ethischen Grundsätze zu einem Morast werden lassen, aus dem modern aufgepeppte Selbsttäuschungen wie Sumpfblüten hervortreiben, wir leben in unserer persönlichen Tragikomödie, die wir immer wieder neu inszenieren müssen, mühsam genug und darum häufig zum Scheitern verurteilt.

Arabische Scheichs haben da ganz andere Sorgen, sie gehören zu den privilegiertesten Jüngern des Kapitalgottes, der ihnen mit dem Erdöl so ungeheuere Mengen an Geld bescherte und weiterhin beschert, dass sie bis heute keinen Plan haben, wie sie es ausgeben könnten. Deshalb lassen die Scheichs in ihrer speziellen Geldnot ganze Hotel-Batterien in die Wüste bauen, die höchsten Wolkenkratzer, die prunkvollsten Paläste und ein Disneyland nach dem anderen. Auf den Gedanken, ihren Reichtum in das Wohlergehen aller Menschen zu investieren oder zumindest in das der anderen Araber, darauf kommen die Scheichs nicht, dafür sind sie zu dumm.

Ein Grundproblem der superreichen Scheichs ist die absolute Tristesse ihrer Heimat, die unwirtliche Gegend, in der sie gewöhnlich ihre Zeit zubringen – im Grunde will kein Mensch freiwillig dorthin reisen, keiner will dort sein, geschweige denn sich dort länger aufhalten. Wüste, unerträgliche Hitze, keine natürliche Pflanzenwelt, überall bloß Staub und Dreck, da bleibt nur – etwa der Ski Dome in Dubai, drinnen schön kühl, nur 1 Grad Celsius, draußen über 40 Grad, jeden Tag werden 30 Tonnen Neuschnee produziert, jeden Abend fängt es in Dubai an zu schneien, wunderbar.

„Das Volk der Qataris ist freundlich und gibt Besuchern das Gefühl, willkommen zu sein.“ – heißt es offiziell, und offziell in Dubai: „Besonders für Frauen die alleine Urlaub machen ist Dubai ideal.“

Das mag sein, aber es ändert nichts daran, dass die Araber die westliche Lebensweise verachten – schon aus diesem Grund sollten sie keine internationalen Sportereignisse ausrichten, das ist ein Widerspruch in sich selbst, denn eigentlich handeln die Araber damit gegen ihre Überzeugungen. Ja, Frauen sind in allen Emiraten vor Übergriffen sicher… hier die Kehrseite: Frauen sollten sich niemals öffentlich von einem Mann küssen lassen oder sich gar von ihm umarmen lassen, selbst Händchenhalten kann in Dubai schon mit einem Monat Gefängnis und lebenslangem Einreiseverbot bestraft werden – es kann nicht nur, es ist auch so geschehen, es ist gängige Praxis. Auch sollte man vor der Einreise nach Dubai besser keine verdächtigen Medikamente mitnehmen, auch nicht wenn man sie braucht, und man sollte auf keinen Fall vorher Mohnbrötchen essen – Mohnkrümel auf der Kleidung oder Medikamente können als Rauschgift angesehen werden, und man kann jahrelang im Gefängnis landen, in einem menschenunwürdigen Knast. Es ist bekannt, dass Taxifahrer ein Kopfgeld für alkoholisierte Fahrgäste kassieren – die angetrunkenen Gäste wollen von einer Bar in ihr Hotel gefahren werden, sie enden stattdessen bei der Polizei und landen ebenfalls im Knast, zumeist monatelang.

Dubai, Katar, Doha: Die historischen Dimensionen machen sie letzten Endes zu sehr flüchtigen Gebilden – schon in wenigen Jahrhunderten wird die imposante Skyline von Dubai wieder verschwunden sein, wie vom Erdboden verschluckt, vielleicht werden einige Archäologen in Plastikresten herumrühren, dort wo einst das Burj el Arab stand. Die Wüste hat sich alles wiedergeholt, und die Wüste ist inzwischen so gnadenlos geworden, dass sich alle Menschen längst aus ihr zurückziehen mussten, auch die arabischen Scheichs, die irgendwo in den wenigen noch gemäßigten Zone der Erde ihre letzten Petro-Dollars ausgeben, bevor auch sie wieder zu Bettlern werden.