Manchmal frage ich mich, ob ich noch ganz richtig im Kopf bin – bei einer Feier geriet ich zufällig in ein Gespräch über die Fliegerei, vielleicht sechs, sieben Leute unterhielten sich, kompetente und intelligente Leute. Die Gesprächsrunde hatte sich einfach so ergeben, sie war nicht geplant, ich beteiligte mich nur zurückhaltend, doch mit ein paar kritischen Anmerkungen, und schon bald kam ich in eine merkwürdige Bedrängnis: Man schien von meinen Beiträgen nicht sehr angetan zu sein, meine wenigen, eher kurzen Ausführungen wurden übergangen, mich streiften betretene Blicke, ich fühlte mich dort nicht mehr wohl und verabschiedete mich unter dem Vorwand, mir ein Bier zu holen. Schnell wurde mir klar, woran es lag: Die meisten Gäste waren für Fluggesellschaften tätig, und sogar Piloten von Kampfjets sollen da gewesen sein, wie mir die Gastgeberin später mit kaum verhohlenem Stolz berichtete.

Man darf in sogenannten Airliner-Kreise über alles sprechen, auch über „Fuel“ und „Fueling“, also über Kerosin und über das Betanken von Flugzeugen, auch über durchschnittliche Verbräuche kann man sich angeregt unterhalten, besonders wenn sie bei modernen Jets sinken – aber man sollte besser nicht das Problem ansprechen, wie düster es mit dem Flugbenzin in Zukunft aussieht. Da ist Schluss, das will keiner der Airliner hören, und wer das Thema anspricht, der macht sich unbeliebt, warum? Weil das Problem nicht zu lösen ist.

Hätten Sie übrigens gern einen Swimming-Pool? – ich besitze keinen und bin mir nicht einmal sicher, ob ich darüber traurig sein soll, selbst als Wasserratte. Egal, hier schlage ich Ihnen einen Swimming-Pool vor, der für Sie bestimmt richtig wäre, nicht zu klein und nicht zu groß, einen Pool, in dem Sie locker Ihre Bahnen abschwimmen können, um immer kerngesund zu bleiben: Das Becken ist 20 Meter lang, 10 Meter breit und 2 Meter tief, großzügig genug, denke ich. Und nun wieder zum Fliegen: Wenn ein Airbus A-380 von Frankfurt nach Singapur und zurück fliegt, dann braucht er dafür genau diesen Swimming-Pool voll Flugbenzin, das heißt vierhunderttausend Liter oder zweihunderttausend Liter pro Strecke, für mich ein doch recht eindrucksvoller Vergleich. Ich höre auch schon die eiligen Einwände: „Pro Passagier sind das aber nur drei oder vier Liter auf 100 Kilometer!“ – mag sein, doch die 400.000 Liter sind trotzdem unwiederbringlich weg. Diese Tatsache wird regelmäßig unterschlagen bei den ja so sparsamen und modernen Großraum-Jets.

Der Airbus A-380, dieses brillante technische Meisterwerk, kann 325.000 Liter Kerosin tanken, das sind etwa 250.000 Kilogramm, weil Benzin eine wesentlich geringere Dichte als Wasser hat und deshalb viel weniger wiegt. Die Strecke von Frankfurt nach Singapur und zurück absolviert der A-380 ungefähr 12 Mal pro Monat, das wäre der monatliche Mindestumlauf – das Flugzeug verbraucht dafür also 12 mal 400.000 Liter Kerosin, das sind 4,8 Millionen Liter, also rund 5 Millionen Liter: 5.000.000 Liter Benzin pro Monat, nur für einen einzigen Airbus A-380, eigentlich unfassbar… ein einziger A-380 schluckt im Jahr also 60 Millionen Liter Benzin. Nur zum Vergleich: Ein durchschnittliches Einfamilienhaus benötigt ca. 2.000 Liter Heizöl pro Jahr, woraus folgt: Mit dem Benzin, das ein A-380 in einem Jahr verbrennt, könnte man 30.000 Einfamilienhäuser ein Jahr lang heizen und mit warmem Wasser versorgen.

Höre ich schon den nächsten Einwand? – logisch erscheinen würde dieser: „Mit den Flügen werden aber in einem Monat ca. 12.000 Passagiere von Frankfurt nach Singapur und umgekehrt transportiert!“ – stimmt, das habe ich auch nicht vergessen, doch ich frage mich, ob es vertretbar ist, ununterbrochen solche Menschenmassen mehr oder weniger sinnlos durch die Welt zu fliegen. Denn das Erdöl geht, selbst nach menschlichen Zeitmaßstäben, bald zur Neige, deutlicher ausgedrückt: Es ist bald endgültig verbraucht: Schluss, aus, Ende, Finito. Das Erdöl ist weg, und es kommt nie wieder. Auch das äußerst problematische Fracking und die Gewinnung von Erdöl aus Ölschiefersänden können nur wenige Jahrzehnte Aufschub bringen, wenn überhaupt, das erscheint alles sehr zweifelhaft, auch wegen der damit verbundenen massiven Umweltprobleme. Hinter den Kulissen gilt es als sicher, dass bereits zur nächsten Jahrhundertwende kein Massenflugverkehr mehr stattfinden kann – aber das wird natürlich verschwiegen, stattdessen lassen die Airlines Fernsehspots produzieren, in denen ein distinguiertes Ehepaar Rehrücken mit Wildpreiselbeeren in elf Kilometer Höhe verspeist, Silberbesteck und Stoff-Servietten eingeschlossen.

Der nächste Einwand: Es steht ein Ersatz für das Erdöl zur Verfügung, nämlich das unter dem Meeresgrund gebundene Methan-Eis: Nein, kann man vergessen – viel zu gefährlich, man würde die Atmosphäre mit dem Klimakiller Methan überschwemmen, außerdem viel zu aufwendig, technisch nicht zuverlässig umsetzbar und in Massen schwer förderbar, das ist keine realistische Option, sondern Problemverdrängung. Oder neue Erfindungen… es sind leider keine in Sicht. Selbst wenn man einen ähnlich energieträchtigen Stoff entwickeln würde, dann wäre er nur mit sehr großem Energieaufwand herstellbar, also utopisch nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft. Es existiert einfach kein Stoff außer Erdöl, der auf so kleinem Raum so enorm viel Energie vorhält, der außerdem so gut zu transportieren und so gut zu lagern ist – an dieser Tatsache wollen immer alle vorbeireden. Man kann zwar ein Auto mit Gas fahren, doch man kann kein Flugzeug mit Gas fliegen, man kann es nur mit Kerosin fliegen, das während des Fluges für den Flug verbrannt wird – Gas kann nicht in den benötigten Mengen mitgenommen werden, die Volumina werden viel zu groß, vom Gewicht der Tanks ganz zu schweigen, und die damit verbundenen Betriebsgefahren wären erheblich, nicht zu vergleichen mit Kerosin. Und noch der Elektroantrieb, dazu nur eines: Mit ihm kann man nicht abheben, ein Flugzeug mit Netzkabelanschluss ist nicht vorstellbar, das geht nur per Oberleitung beim ICE.

Wütend und verständnislos werden die Menschen im Jahr 2200 der Zeitrechnung auf uns zurückblicken. In den Geschichtsbüchern für die Schule wird stehen, dass ihre verrückten Vorfahren fast das gesamte Erdöl der Erde in nur 200 Jahren verschleudert haben, zwischen 1900 und 2100 – verschleudert für Kriege, für Fahren, Fliegen, Heizen, für Verpackungsfolien, für Milliarden von bunten Plastikschüsseln und Kunststoff-Stühlen, für ganze Gebirge von Plastik-Müll, für schwimmende Müll-Inseln auf den Meeren mit der Ausdehung eines mittleren deutschen Bundeslandes. Im Jahr 2200 wird Erdöl ein teures Gut geworden sein, nicht mehr frei verkäuflich, sondern staatlich kontingentiert und nur noch für klar definierte Zwecke einsetzbar: Das ist die Zukunft, in die wir heute die nachfolgenden Generationen unerbittlich hineinzwingen. So wird es wahrscheinlich kommen – vielleicht sollte man angesichts dieser Aussichten versuchen, wenigsten einige nennenswerte Erdölvorkommen für die Zukunft aufzubewahren, das wäre Zukunftsvorsorge.

Zum Clan des saudischen Königs gehört Prinz Al-Waleed bin Talal bin Abdul Aziz al-Saud – er kann bei seinem Vermögen von 20 Milliarden Dollar einigermaßen mit der Verwandtschaft mithalten und hat sich als Privatmaschine einen A-380 gegönnt, denn man gönnt sich ja sonst nichts. 215 Millionen Euro hat der Prinz für den A-380 hingeblättert, allerdings kam noch einiges an Kosten hinzu, 120 Millionen Euro für die Innenausstattung, und man munkelt, dass weitere 40 Millionen Euro für was draufgegangen sind? Für die Echtgold-Lackierung des Flugzeugs. 40 Millionen sind nicht gerade wenig, andererseits ist ein goldenes Flugzeug ja auch ein richtiger Hingucker. Luxus gibt es im Airbus des arabischen Prinzen natürlich in jeder erdenklichen Form: Spezial-Whirlpool für die Lüfte, Sauna, Gym-Studio und auf dem Oberdeck eine ganze Flucht von Schlafzimmern, deren genaue Anzahl jedoch streng geheimgehalten wird, verständlich… aber im Ernst, ist eine solche verkehrte Welt in diesen schwierigen Zeiten noch akzeptabel? Darf man sich der naiven Faszination hingeben, die dieser Protz-Jet vielleicht auf viele Menschen ausübt? Ich glaube nicht, es wäre ein Eingeständnis der Ohnmacht.

„Flightpath 2050 – Europe’s Vision for Aviation“ oder „Flugweg 2050 – Europas Vision für die Luftfahrt“… das ist kein schlechter Witz, sondern es handelt sich um das Zukunftsprogramm der Europäischen Kommission für das Fliegen. In dem Programm steht unter anderem, dass in 40 Jahren fünf Mal so viele Menschen wie heute mit dem Flugzeug fliegen werden – bloß über den Kerosinverbrauch bei diesem Gruselszenario findet sich in dem Programm nur sehr wenig Konkretes: Man will irgendwie leichter werden und Treibstoff sparen, das war’s. Dafür sollen aber die Abfertigungsprozesse optimiert werden, man schwärmt vom „Total Airport Management“ – tolle Sache das. Der verkehrsreichste Flughafen der Welt ist zur Zeit der Hartsfield-Jackson-Flughafen in Atlanta, USA, mit 2.600 Starts und Landungen pro Tag, jährliches Passagieraufkommen 90 Millionen Menschen, auf dem Flughafen London Heathrow sind es 58 Millionen Fluggäste. In Deutschland gibt es jährlich etwa 3 Millionen Flüge, weltweit etwa 31 Millionen Flüge im Jahr – und vor diesem Hintergrund jubiliert die Europäische Kommission geradezu, dass im Jahr 2050 fünf Mal so viel Menschen wie heute fliegen sollen… ich habe mich am Anfang dieses kleinen Textes gefragt, ob ich noch ganz richtig im Kopf bin, ich hoffe es weiterhin, eines weiß ich jedenfalls genau: Viele wichtige und sich wichtig vorkommende Menschen sind bestimmt nicht ganz richtig im Kopf – oder sie verleugnen sich selbst bis ins Groteske.