Durchnässt vom Blutbad in der Blumenwiese, alles klebrig feucht, sehe ich rot, die Farbverschiebung dauert an. Der Wind wiegt die Halme, verwirbelt den Gestank. Ein Polenbauer winkt und läuft, am Rettungswagen wird das Blaulicht schwächer, das Martinshorn verjault sich in der Ferne, das Damwild äugt, äst weiter. Demjanjuk auf der Bahre, hightech mit Rollen, allein auf einer Wiese bei Włodawa, im Sonnenlicht die Stange mit dem Tropf. Die Stimme klingt schwach, ich drehe die Zuleitung wieder auf, Tropfenfluss, so viele Tropfen für eine vertrocknete Seele, unzählbar, ungezählt, überall Wiese, weit und breit kein heißer Stein, auf dem Tränen verdampfen könnten.
„They left me alone.“ Er haucht.
„We go to the place.“ Die Wiese holprig, die Bahre fängt an zu schaukeln, eine Rolle sackt in ein Loch, fast fällt Demjanjuk. Er krallt sich fest. Aus dem dem Loch ragen Knochen, braun, verklumpt, schmierig.
„Look!“
„God left me alone!“
Er sieht mich an. Wir tauschen Blicke aus, fremde Augenblicke. Die Fressen bleiben feist und ferngesteuert – nur der Versuch zu lächeln kommt mir vertraut vor.
„I know, John.“
Das Urteil gegen Demjanjuk wurde nicht rechtskräftig, da sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision einlegten.
Zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierüber kam es bis zu Demjanjuks Tod nicht.
Nachträglich konnte sie nicht erfolgen, da der Tod des Angeklagten im deutschen Strafrecht ein Verfahrenshindernis darstellt, das nur noch die Einstellung des Verfahrens zulässt.
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Nazi-Aufarbeitung durch die deutsche Justiz ging in den 50er Jahren nicht, weil 80% der Nachkriegsrichter Nazis gewesen waren und später ignorierte man und schob weg, weil es sich innerhalb der Justiz zu einem Tabu ausgewachsen hatte.
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Der Versuch, Entsetzliches in Worte zu fassen, endet auch beim Wortgewaltigen manchmal beim Versuch. Aber immerhin.
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