– eine Szene in zwei Teilen –

Personen:

Hopper Ex – der Mittler
Macchiato – der Concierge
Una Rosé – die Hausdame
Curd Donaz – der Kandidat
Die Menge – einige Personen

I

Die Personen stehen herum. Links hängt eine aufgespannte Stoffbahn, durch die Licht scheint, in der Mitte ein Tisch.

Hopper Ex im Frack, mit weißen Handschuhen. Sein Gang ist unsicher. Er bleibt stehen und streckt mühsam seine Arme hoch. Die Menge rückt zusammen.

HOPPER EX: „Der Tag ist da!“

DIE MENGE – spricht gemeinsam das Wort: „Change.“

HOPPER EX: „Change!“ Er starrt nach oben. „Heute! Nicht ich habe es beschlossen – es war eine Eingebung. Hebt eure Köpfe, seht! Was seht ihr, was fühlt ihr?“

DIE MENGE: „Change.“

HOPPER EX: „Ein Mensch kommt, ein Mensch geht. Entwicklung ist Erneuerung. Bestehen heißt, sich zu verändern. Ohne Neuanfang kein Fortschritt. Weiter – zu neuen Ufern! Wir sind die Gemeinschaft, wir sind auf dem Weg. Wer zögert, bleibt zurück. Wir gehen gemeinsam den Weg in die Zukunft. Deshalb existieren wir!“

Eine Frau in greller Kleidung stürzt herein, gefolgt von einem Mann, der einen Rollstuhl schiebt. Sie rennt um Hopper Ex herum und gestikuliert.

UNA ROSÉ: „Ich wusste es nicht! Ich konnte es nicht ahnen – was ist denn in dich gefahren, Hopper?“ Sie schaut sich nach dem dicken Mann mit dem Rollstuhl um. „Beeil‘ dich, alte Unke! Oder willst du heute sterben?“

MACCHIATO: „Ha!“

Er schlurft unbeeindruckt zu dem Tisch. Darauf stapelt sich Kram, Sachen sind heruntergefallen, Reis und Nudeln sind aus Tüten ausgelaufen.

HOPPER EX – vor dem Tisch, er rauft sich die Haare: „Hier, hier an diesem Platz gestalte ich unsere Zukunft! Hier entscheide ich über unser aller Schicksal. Und was finde ich vor? Chaos. Una, Macchiato – ihr habt diesen Ort entweiht!“

MACCHIATO: „Der Raum wird selten benutzt. Irgendwo müssen wir das alles lagern, was du brauchst. Deine Ansprüche steigen und steigen. Wir glauben an dich, Hopper Ex. Aber wem der Glaube zu beschwerlich wird, den beugt er – zuletzt bis in den Staub. Gib mir vorher Bescheid, wenn du eine Eingebung hast.“

HOPPER EX: „Du wirst schon wieder unverschämt! Meine Eingebungen kommen unverhofft. Was weißt du davon, was vom Glauben an mich? Ich bin der Mittler! Du bist nichts als ein Mensch mit Armen, mit Beinen und oben mit einer Denkausstülpung, in der kümmerliche Gedanken umherirren. Bring’ mich nicht in Rage! Ich könnte dich auf der Stelle hinstrecken.“

MACCHIATO: „Ich falle weich. Wer wird dir dann die Schuhe putzen? Wer wird dir vom Fernsehen erzählen, so wie ich es kann – Una Rosé? Ha!“

HOPPER EX: „Schluss jetzt! Hast du wenigstens die Kandidaten ausgesucht?“

MACCHIATO: „Ha! Ausgesucht? Es gibt nur zwei. Und die sind schon da. Sie warten.“

HOPPER EX – lässt abrupt den Kopf hängen: „Zwei also… ganze zwei. Früher standen die Menschen Schlange, wenn ich eine Eingebung hatte. Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum, überall. Und nun? Das ist deine Schuld, Macchiato! Du hintertreibst meinen Auftrag, du willst mich aushöhlen, mir meine Kraft rauben, du willst mich einverleiben in deine Dickfelligkeit, du verdammter…“

UNA ROSÉ: „Hopper! Hör’ endlich auf mit diesem Gejammer! Macchiato kann nichts dafür. Es sind die Zeiten.“

MACCHIATO: „Ja. Alle Leute wollen leben, doch weiterkommen wollen sie nicht. Der Weg zum Horizont wird ihnen verschüttet von jedem neuen Tag, der anbricht. Ich verzeihe dir, Hopper Ex – du verlierst den Weg nicht aus den Augen, du nicht.“ Er hält eine Plastiktüte hoch, die am Rollstuhl hing. „Hier, deine Tomatensoße.“

Hopper-Ex winkt ab und breitet erwartungsvoll die Arme aus.

DIE MENGE: „Change.“

HOPPER-EX: „Untersteh‘ dich! Eine heilige Handlung steht bevor – und du kommst mir mit Tomatensoße!“ Er wendet sich abrupt Macchiato zu. „Schmeckt sie etwa wieder nach Oregano? Du weißt, ich hasse Oregano, ich… was ist das für eine Welt, die dieses Unkraut wachsen lässt!“

MACCHIATO: „Es ist die Natur.“

HOPPER-EX: „Die Natur? Dummkopf, natürlich die Natur. Sie bringt zu vieles hervor, zu vieles, was wir nicht brauchen, zu vieles, was stört. Unkraut, Stürme, Pestilenzen, zu viele Menschen, die nur da sind, nicht mehr – sie vegetieren vor sich hin und wissen nicht, warum. So ist das! Ich bin der Mittler, nicht der Gestalter, leider.“

MACCHIATO: „Ich habe die Soße vorher probiert.“

HOPPER EX: „Und?“

MACCHIATO: „Thymian, Basilikum – kein Oregano, nicht einmal ein Hauch.“

UNA ROSÉ: „Soll ich das Nudelwasser aufsetzen?“

HOPPER EX: „Weib! Heute ist der Tag – und dazu fällt dir nichts anderes ein, als Nudeln zu kochen? Abgründe!“

UNA ROSÈ: „Ich habe hausgemachte Farfalle…“

HOPPER EX: „Farfalle? Die von voriger Woche? Hmh… ich weiß nicht. Nein, nein! Ich werde meinen Hunger bezwingen. Macchiato, hole das Gefährt! Wir fangen an – und dann wollen wir die Kandidaten empfangen.“

Im Laufschritt fährt Macchiato den Rollstuhl vor. Er keucht vor Anstrengung, als er Hopper Ex hineinbugsiert, der sich in seine Arme fallengelassen hat.

MACCHIATO: „Verdammt, mach’ dich nicht so schwer!“

HOPPER EX: „Tu deine Pflicht, vergiss meine Füße nicht!“

Macchiato kniet nieder und hebt einen Fuß nach dem anderen auf die Trittbretter des Rollstuhls. Dann steht er auf, um einen langen Stab hinter der Rücklehne hochzuziehen, an dem oben eine kleine Warnblinkleuchte angebracht ist. Er schaltet die Leuchte ein.

MACCHIATO: „So ist es gut. Die beiden Kandidaten – ein Mann und eine Frau. Wir sollten zuerst den jungen Mann hereinrufen. Den kannst du schnell abhaken, Hopper. Er ist verrückt, er ist nicht zu gebrauchen. Aber die Frau, sie hat…“

HOPPER EX: „Du wagst es, mir einen Verrückten als Kandidaten vorzuführen?“

MACCHIATO: „Es ist kein anderer da… außer der Frau.“

HOPPER EX – grunzt: „Ich weiß, ich weiß… trotzdem, ich habe ein Gefühl, fast wie eine neue Eingebung. Etwas Großes kündigt sich an! Una Rosé soll den Gong schlagen. Wir wollen mit der Zeremonie beginnen. Fahre mich vor die Gemeinschaft!“

MACCHIATO: „Merkwürdig – ich fühle es auch, ganz deutlich.“

Macchiato schiebt den Rollstuhl mit Hopper Ex mitten auf die Bühne. Die Menge tritt aus dem dunklen Hintergrund hervor. Währenddessen hastet Macchiato los und kommt gleich mit einem goldenen Sektkübel zurück. Er übergibt ihn würdevoll an Hopper Ex. Der streckt den Kübel der Menge entgegen. Ein tiefer Gong ertönt.

HOPPER EX: „Hier! Nehmt von mir, nehmt mein Licht in euch auf!“

DIE MENGE: „Erleuchte uns, großer Hopper Ex!“

Hopper Ex schiebt sich den Sektkübel zwischen die Beine und breitet die Arme ryhthmisch aus, langsam, drei Mal nacheinander.

DIE MENGE: „Change – Change – Change.“

Unter Gongschlägen treten einzelne aus der Menge vor Hopper Ex. Er greift in den Sektkübel und wirft jeder Person in hohem Bogen eine Handvoll Popcorn zu. Alle versuchen, einige Brocken Popcorn zu fangen. Wer etwas erwischt hat, triumphiert und wird von Macchiatio wieder in den Hintergrund gewiesen. Die Menge jauchzt vor Freude.

II

Ein Mann kommt, in Ledermantel, mit einem schwarzen breitkrempigen Hut auf dem Kopf und mit Sonnenbrille.

CURD DONAZ – sieht Macchiato an: „Hopper Ex?“

Macchiato stellt sich hinter den Rollstuhl, schiebt ihn direkt vor den Kandidaten und geht einige Schritte zurück.

MACCHIATO: „Wir sind die Gemeinschaft des erleuchteten Weges. Du stehst vor Hopper Ex, dem großen, dem einzigen Mittler zwischen Himmel und Erde!“

CURD DONAZ – schaut auf Hopper Ex herunter: „Meine Verehrung, Meister! Ich wusste nicht… wie geht es ihnen?“

HOPPER EX: „Der Körper ist gebrechlich. Alle sollen es sehen an einem Tag wie diesem. Alle sollen wissen, dass der Weg der Erleuchtung jedem offensteht, egal wie er sich befindet. Nur der Geist kann bewegen. Die Menschen schreiten voran, sie laufen hektisch herum, sie überwinden Distanzen – doch mit sich selbst sind sie immer am gleichen Ort.“

CURD DONAZ: „Ich habe meine Waschmaschine mitgebracht. Mein Name ist Curd Donaz.“

HOPPER EX: „Deine Waschmaschine…?“

CURD DONAZ: „Ich suche die Erleuchtung, den Master-Plan.“

HOPPER EX: „Was soll das mit der Waschmaschine? Bist du von Sinnen?“

CURD DONAZ: „Meine Waschmaschine ist immer dabei. Sie gehört zu mir, ich gehöre zu ihr. Wir sind unzertrennlich.“

UNA ROSÉ: „Eine Waschmaschine, wie entzückend! Endlich eine eigene Waschmaschine!“

HOPPER EX: „Ruhe!!“ Er wird nachdenklich, wiegt den Kopf hin und her. „Also eine Waschmaschine. Erzähl’ mir mehr darüber – es interessiert mich.“

CURD DONAZ: „Meine Waschmaschine lebt.“

HOPPER EX: „Sie lebt? Aha, sie lebt – liebst du sie?“

Curd Donaz nickt stumm.

HOPPER EX: „Dann seid ihr zu zweit. Wir nehmen keine Paare.“

MACCHIATO: „Ha! Wie ich sagte, ein Verwirrter, der Maschinen liebt – wenn es wenigstens ein Auto wäre oder ein Fernseher.“

HOPPER EX: „Habe ich dich um deine Meinung gefragt, Macchiato? Was maßt du dir an? Der Kandidat soll draußen warten… nein halt, eine Frage noch: Deine Waschmaschine wäscht nicht, oder?“

CURD DONAZ: „Nein – warum hätte ich sie dann mitbringen sollen?“

HOPPER EX: „Stimmt, natürlich. Warte draußen. Geh’ nicht weg.“

CURD DONAZ: „Ich denke nicht daran, wegzugehen! Darauf können Sie sich verlassen, großer Meister. Aber meine Waschmaschine – sie ist allein.“

HOPPER EX – ruft: „Dann bring’ sie mit! Gleich, sofort! Los, worauf wartest du?“

Curd Donaz schweigt, zieht andeutungsweise seinen Hut und verlässt den Raum.

HOPPER EX: „Eine Waschmaschine… nicht zu fassen. Dieser verdammte Kerl! Was bildet er sich ein? Ist das überhaupt ein Kandidat?“

Macchiatio läuft aufgeregt zu Hopper Ex.

MACCHIATO: „Deine Größe schwindet, Hopper Ex. Warum hast du diesen Mann nicht zum Teufel gejagt? Warum lässt du ihn warten? Du weißt nichts über ihn, du hast ihn nicht befragt, so wie du es sonst bei Kandidaten machst. Vielleicht ist er nur ein Betrüger, der uns eine kaputte Waschmaschine aufschwatzen will. Vielleicht aber auch nicht. Du verlierst den Überblick, du hast ihn längst verloren… schick‘ den Mann weg, auf der Stelle, noch ist Zeit!“

HOPPER EX: „Macchiato, alter Freund… bist du eigentlich noch mein Freund?“

MACCHIATO: „Was soll ich dazu sagen?“

HOPPER EX – lacht: „Sag‘ nichts – du würdest dir den Mund verbrennen. Du verstehst gar nichts. Noch nie kam ein Kandidat mit einer Maschine zu uns. Er nimmt sie mit, er hat sie. Behauptet er. Doch sie hat ihn! Die Waschmaschine… wo ist sie denn? Ich will sie endlich vor Augen haben!“

UNA ROSÉ – bringt einen Teller mit Nudeln und Tomatensoße: „Du musst etwas essen, Hopper. Sonst hältst du diesen Tag nicht durch. Hier deine Lieblingsspeise, hausgemachte Farfalle und dazu die Tomatensoße, garantiert ohne Oregano.“

Hopper Ex schaut dankbar zu ihr auf. Er probiert kurz – dann stochert er plötzlich wild im Teller herum, er greift mit einer Hand hinein und riecht an den Nudeln, rote Soße spritzt ihm ins Gesicht.

HOPPER EX: „Nein, kein Oregano… es riecht merkwürdig. Es riecht nach Blut – nach Blut!“

MACCHIATO: „Beruhige dich, Hopper! Vergiss den Mann mit der Waschmaschine – soll ich nicht erst einmal die Kandidatin rufen? Du wirst sehen, eine faszinierende Frau, ein so friedliches Wesen. Sie hat im Himalaya gelebt, nahe bei den Göttern. Die wäre ideal für uns. Sie strahlt Herzenswärme aus und Güte.“

HOPPER EX – verliert die Kontrolle, schreit plötzlich los: „Weg mit dieser Furie! Ich will sie nicht sehen!“

MACCHIATO: „Dann nicht – dann ist es eben aus! Ich kann so nicht weitermachen.“

HOPPER EX: „Ja, es ist aus! Da!“

Auf einer quietschenden Sackkarre fährt Curd Donaz die Waschmaschine herein. Als er sie absetzt, gibt es einen Knall. Er stellt sich gerade hin wie ein Wachsoldat.

Hopper Ex gleitet langsam an die Waschmaschine heran. Mit aller Kraft will er sich aus dem Rollstuhl stemmen, um sie anzufassen.

HOPPER EX: „Nur ein Mal… berühren.“

Curd Donaz ist dazwischen getreten.

CURD DONAZ: „Nein!“

Er tritt mit voller Wucht gegen den Rollstuhl, so dass er umfällt. Hopper Ex wird herausgeschleudert, stöhnt kurz auf und stirbt unter Zuckungen.

Una Rosé kreischt los, sie eilt zu Hopper Ex.

UNA ROSÉ: „Ich glaube… er lebt nicht mehr. Hopper Ex ist tot.“

Macchiato macht eine Verbeugung.

CURD DONAZ – lüftet feierlich seinen schwarzen Hut: „Change.“